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Wie das Coronavirus das Wachstum der Erneuerbaren Energien beeinflusst.

Die COVID-19-Pandemie hat seit ihrem Ausbruch großes Leid verursacht und beispiellose wirtschaftliche und soziale Herausforderungen für die Welt geschaf-fen. Länder und Kommunen sind mit Wirtschaftsein-brüchen oder Rezession, steigender Arbeitslosigkeit, Störungen des Kapitalflusses und wachsender Schul-denlast konfrontiert. Auch das globale Wachstum der Erneuerbaren Energien ist betroffen und verzeichnet aufgrund der Pandemie den ersten Rückgang seit 20 Jahren. Weltweit werden in diesem Jahr weniger Öko-stromanlagen errichtet, da der Energiebedarf in ge-werblichen und industriellen Sektoren stark gesunken ist und genehmigungsverzögernde sowie logistische Probleme viele Projekte ausbremsen. Auf Baustellen geht es langsamer voran, weil das Personal Abstand halten muss. Häfen schlagen weniger Ware um. Coro-na-Schutzmaßnahmen beeinträchtigen Verwaltungs-prozesse. Antragsberatungen, Abstimmungsgesprä-che oder – besonders wichtig – Erörterungstermine mit betroffenen Anwohnern finden beim Corona-Ver-sammlungsverbot praktisch nicht mehr statt.Während sich die politischen Entscheidungsträger zu Recht auf die Bekämpfung der Pandemie und den Schutz der Bürger konzentrieren, begannen sie, Pläne für eine wirtschaftliche Erholung zu entwickeln und einschneidende, gerade für Erneuerbare Energien relevante, virusbedingte Maßnahmen in die Wege zu leiten.Realisierungsfristen für bezuschlag-te EE-AnlagenFür Projektierer von EE-Anlagen in Deutschland könn-te die Ausbreitung des Coronavirus und die damit verbundenen Auswirkungen die Einhaltung gesetzli-cher Fristen gefährden. Gemäß dem EEG 2017 setzt die gesetzliche Förderung von EE-Anlagen in der Regel die erfolgreiche Teilnahme an einer Ausschreibung der Bundesnetzagentur voraus. Wird für ein Projekt ein Zuschlag erteilt, muss der Anlagenprojektierer bestimmte Realisierungsfristen einhalten. Werden die bezuschlagten Anlagen nicht innerhalb dieser Fristen in Betrieb genommen, muss der Projektierer den Verlust seiner im Rahmen der Ausschreibung gestellten Sicherheiten fürchten, die sich nach der Größe des Projekts sowie der Dauer der Verzögerung der Inbetriebnahme richtet. Die Nichteinhaltung der Realisierungsfristen hat für den Projektierer dement-sprechend tiefgreifende wirtschaftliche Folgen. Im schlimmsten Fall verfällt ein Zuschlag sogar, wenn das bezuschlagte Projekt nicht innerhalb von 24 Mo-naten (Solaranlagen) nach der öffentlichen Bekannt-gabe des Zuschlags eine Zahlungsberechtigung beantragt oder innerhalb von 24 Monaten (Biomas-seanlagen) bzw. 30 Monaten (Windenergieanlagen an Land) nach öffentlicher Bekanntgabe des Zuschlags in Betrieb genommen wurde. Die Einhaltung dieser gesetzlichen Realisierungsfristen stellt Anlagenpro-jektierer vor erhebliche Herausforderungen: es kann zu Lieferengpässen von benötigten Komponenten kommen oder es kann aufgrund der Pandemie und damit verbundener Beschränkungen am erforder-lichen Personal für den Bau der Anlagen fehlen.Entsprechend hat die Bundesnetzagentur die Aus-wirkungen der Pandemie auf die Einhaltung der Realisierungsfristen erkannt und auch bereits re-agiert. Der Gesetzgeber hat die Fristen der Zu-schläge nach dem EEG und der GemAV1, die vor
3dem 1. März 2020 erteilt wurden und noch nicht erloschen sind, um sechs Monate verlängert.2 Dies betrifft sowohl die Realisierungsfristen als auch die Fristen, die zu Pönalzahlungen führen können. Außerdem wird der Zeitraum bis zum vorzeitigen Förderbeginn um sechs Monate verlängert. Öffentlichkeitsbeteiligung ohne öf-fentliches Leben – geht das?Die gesamtgesellschaftlichen Einschränkungen durch die Corona-Krise führen dazu, dass die Möglichkeit der Einsichtnahme in bereits ausliegende Antragsunterlagen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) oder bei laufenden Bauleitplanverfahren der Gemeinden eingeschränkt ist. Dies resultiert zum einen daraus, dass die Gemeinden oder Behörden veränderte Öffnungszeiten haben oder dass öffentliche Einrichtungen insgesamt für den Publikumsverkehr nur eingeschränkt geöffnet sind. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob es sich bei der Einsichtnahme in Unterlagen eines Genehmigungsverfahrens um einen triftigen Grund im Sinne der geltenden Allgemeinverfügungen handelt. Die meisten Betroffenen werden angesichts der drohenden Anzeigen oder Bußgelder einen Verstoß gegen die Allgemeinverfügung wohl nicht riskieren wollen. Dabei reicht es aus, dass bereits ein Betroffener von der Einsichtnahme und damit von dem möglichen Vortrag seiner Einwendungen abgehalten wird, um einen Verfahrensfehler auszulösen. Der Gesetzgeber hat daraufhin reagiert und das sogenannte „Planungssicherstellungsgesetz“ ver-kündet. Damit sollen praktisch nicht machbare Öf-fentlichkeitsbeteiligungen, wie sie in diversen Geneh-migungsverfahren oder Planungsverfahren zwingend sind, wieder möglich werden. Bisher mussten in Re-gionalplan- oder Bauleitplanverfahren, Planfest-stellungsverfahren oder in förmlichen immissions-schutzrechtlichen Genehmigungsverfahren (z. B. die auszulegenden Unterlagen oder die jeweiligen Ent-scheidungen) für die Öffentlichkeit in Papierform zu-gänglich sein. Das Gesetz sieht die Veröffentlichung im Internet lediglich als Ergänzung vor. Erörterungs-termine erfordern die physische Anwesenheit der Öffentlichkeit. All dies ist aufgrund der zeitweise gel-tenden Kontaktbeschränkungen schwieriger umzu-setzen. Infolgedessen würden viele wichtige Projekte ins Stocken geraten oder könnten sogar scheitern.Diesen Missstand soll das Gesetz nun beheben. Bekanntmachungen und Auslegungen sollen jetzt hauptsächlich in digitaler Form erfolgen. Als zusätz-liches Informationsangebot soll aber die Papier-auslegung daneben weiter durchgeführt werden, zumindest soweit nach den Umständen möglich. Unterbleibt eine Auslegung, soll die Behörde andere leich zu erreichende Zugangsmöglichkeiten schaf-fen.
4Das Gesetz nennt „öffentlich zugängliche Lesegeräte“ und verlangt in begründeten Fällen sogar eine Ver-sendung der Unterlagen oder der Entscheidung. Die-se wichtigen Gesetzesänderungen gelten für bereits laufende Verfahren; das Gesetz sieht jedoch eine Be-fristung bis 31.03.2021 vor.Die rechtlichen Unsicherheiten bei der Fortführung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfah-ren betrifft nicht nur die Auslegung der Antragsun-terlagen, sondern auch den Erörterungstermin. Der Zweck des Erörterungstermins besteht darin, den Einwendern die Möglichkeit zu geben, ihre erhobe-nen Einwendungen darzulegen. Dies wird zum Prob-lem, wenn öffentliche Veranstaltungen eingeschränkt oder gar verboten sind. Für Risikogruppen kommt eine Teilnahme am Erörterungstermin nach diessei-tiger Auffassung ohnehin unter keinen Umständen in Frage.Eine Lösung ist hier, kritisch zu überprüfen, ob ein Erörterungstermin überhaupt stattfinden muss. Die zuständige Behörde kann die Einwendungen mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendun-gen erhoben haben, erörtern. Allerdings liegt dies im Ermessen der Behörde. Die Durchführung eines Erörterungstermins ist im Genehmigungsverfahren folglich nicht obligatorisch. Wenn die Behörde ferner der Auffassung ist, dass die erhobenen Einwände nicht erörtert werden müssen, findet ein bereits in der Bekanntmachung angekündigter Erörterungs-termin nicht statt. Etwaige Erörterungstermine sollen indessen durch eine Online-Konsultation ersetzt wer-den können, wenn diese bis zum 31.03.2021 nur unter unzumutbaren Bedingungen durchgeführt werden könnten.Post-EEG-AnlagenUnter den ganzen Herausforderungen der COVID-19-Pandemie scheint auch das Thema Post-EEG-Anlagen für einen längeren Zeitraum aus dem Fokus verloren gegangen zu sein. Jedoch besteht auch hier dringend Handlungsbedarf.Zum Jahresende werden rund 5.000 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 3,7 GW aus der 20-jährigen EEG-Förderung fallen. Jetzt haben die Betreiber noch ein weiteres Problem: aufgrund der Corona-Pandemie sind die Preise an der Strombörse stark gesunken, wodurch den allermeisten Altanlagen die Aussicht für einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb fehlt. Ihnen droht die kurzfristige Abschaltung und dem deutschen Strommix damit der Verlust erheblicher Ökostrommengen.Praktisch könnten die von den alten Windrädern erzeugten Strommengen an der Börse oder direkt an Energieversorger verkauft werden. Die Veränderung des Strompreises durch die Corona-Krise wird deutlich durch den Vergleich: kostete eine Megawattstunde Strom (Frontjahr Base) im September 2019 noch über 52 €, waren es Ende März 2020 nur noch knapp 34 €3. Die Kosten für den Weiterbetrieb der Anlagen können damit selbst an den wirtschaftlich günstigsten Standorten kaum noch eingespielt werden, es drohen massenweise Stilllegungen.Gegenwärtig tut sich eine Lösung auf, die in anderen Ländern längst üblich ist: sogenannte Power Purchase Agreements (PPAs). Große Industriekunden weltweit arbeiten seit Jahren mit diesen Direktverträgen und die Größen aus dem kalifornischen Silicon Valley betreiben so ihre gigantischen Datenzentren. Direktverträge mit Ökostromanlagen sind international längst zum Standard geworden, in Deutschland aufgrund der komplizierten Förderung durch das EEG-Gesetz dagegen kaum bekannt. Hierzulande wird der Strom fast ausschließlich über die Börse gehandelt.Das ändert sich nun durch das Förderende der ersten Windenergieanlagen zum Jahreswechsel 2020/2021. Der Begriff Power Purchase Agreements geht in der Branche um. Dabei schließt beispielsweise ein Industriebetrieb einen Vertrag mit einem Energieversorger und einem Windpark ab und sichert
5sich so die gesamte Stromerzeugung der Altanlagen. Reicht der Windstrom nicht aus, kauft der Energieversorger Strom zu, Überschüsse werden verkauft. Solche Verträge können Energieversorger auch direkt mit Windparkbetreibern abschließen und ihre Kunden mit dem Strom versorgen.Die Deutsche Energieagentur dena hat das Thema unter dem Stichwort „Corporate Green PPAs“ hervorgehoben: laut einer neuen Umfrage gebe es großes Interesse an langfristigen Lieferverträgen für Wind- und Sonnenstrom. Und das sei äußerst nötig, denn es werden kaum noch neue Windenergieanlagen gebaut. Wenn jetzt zusätzlich alte Anlagen abgerissen werden, wäre das für den Klimaschutz verheerend.Darüber hinaus gibt es auch Initiativen einzelner Bundesländer. So hat das Land Niedersachsen den Erschließungsantrag „für einen zielorientierten Ausbau der erneuerbaren Energien und einen adäquaten Rahmen für den Übergang in die Post-EEG-Phase“4 beim Bundesrat der Bundesregierung eingebracht. So ist eine Forderung: „Den Betreibern von Windenergieanlagen an Land, deren Anlagen aus planungsrechtlichen Gründen nicht standortgleich ersetzt werden können, wird am Ende der regulären EEG-Förderung einmalig die Option eingeräumt, ihre Stromproduktion für einen fest vorgegebenen Zeitraum von bis zu sieben Jahren für eine gesetzlich fixierte Vergütung an die Übertragungsnetzbetreiber weitergeben zu können. Die über den gesamten Zeitraum fixe Vergütung für den Strom sollte dabei so bemessen werden, dass die laufenden Betriebskosten der Anlagen stets refinanziert werden können. Vor diesem Hintergrund sollte ein Fixpreis in Höhe von 70 Prozent des jeweils aktuellen Höchstwertes der Ausschreibungen für neue Windenergieanlagen an Land vorgegeben werden“.Auch die ersten Photovoltaikanlagen werden Ende 2020 den gesetzlichen Anspruch auf die EEG-Vergütung verlieren. 2021 werden es laut Bundesverband Solarwirtschaft gut 10.000 Photovoltaikanlagen sein. Bis 2026 steigen die Zahlen um den Faktor 20. In den Jahren 2029 bis 2032 fallen zudem erneut besonders viele Anlagen aus der Förderung. Bis 2033 läuft die Vergütung für insgesamt mehr als eine Million Solaranlagen aus. Dadurch besteht auch hier politischer Handlungsbedarf, um einen Rahmen für diese Anlagen zu setzen, damit die Erzeugungskapazitäten in der Zukunft nicht oder nur teilweise verloren gehen. So skizziert die sog. Ideensammlung des Klimakreises der CDU/CSU-Fraktion „Impulse für die EEG-Reform“5 erste Punkte. Insbesondere geht es um die Vereinfachung der Bedingungen für eine Direktvermarktung: „Damit vor allem kleine Anlagen bis zu 10 kWp wirtschaftlich weiterbetrieben werden können, müssen die Bedingungen für die Direktvermarktung vereinfacht werden. Die Schaffung der entsprechenden technischen Voraussetzungen (Umbau der Messung) und bürokratische Anpassungen (Bilanzkreismanagement) sind jedoch meist kompliziert, mit hohen Kosten verbunden und für die meisten Anlagenbetreiber daher wirtschaftlich nicht darstellbar“. So stellt die sog. Ideensammlung als Lösungsmöglichkeiten vor, dass Anlagenbetreiber in den Bilanzkreis des Netzbetreibers einspeisen können müssen und eine Vergütung (1-3 ct/kWh) erhalten. Darüber hinaus wird eine Bezuschussung des Einbaus von neuen Zählern oder intelligenten Messsystemen für Anlagen bis 10 kWp empfohlen.FazitLaut der Internationalen Energieagentur nimmt die Welterzeugung an Erneuerbaren Energien in diesem Jahr um 167 Gigawatt zu. Das sind etwa 13 % weniger als der Markt im Jahr 2019 expandierte.6 Der Rückgang der Wachstumsdynamik spiegelt die Verzögerungen bei der Bautätigkeit, Unterbrechungen der Lieferketten sowie Sperrmaßnahmen und Bestimmungen zur sozialen Distanzierung wider. Trotz der Wachstumsverlangsamung wächst die weltweite Produktionskapazität für Erneuerbare Energien im Jahr 2020 immer noch um 6 % .7. Für das nächste Jahr wird eine Erholung des Wachstums auf das Niveau von 2019 erwartet.Pandemiebedingte Unterbrechungen verlangsamten
6wird eine Erholung des Wachstums auf das Niveau von 2019 erwartet.Pandemiebedingte Unterbrechungen verlangsamten zwar den Ausbau von EE-Anlagen, jedoch blieb die Energiegewinnung durch Bestandsanlagen stabil. COVID-19 stellt zweif elsohne eine Herausforderung für die EE-Industrie dar – mit negativen Auswirkungen auf Lieferketten, Produktion und die Proj ektumsetzung. Andererseits zeigt die Krise auch, wie widerstandsfähig die Branche ist. Sie liefert nach wie vor laufend kostengünstige, saubere Energie.Bei den Post-EEG-Anlagen besteht akuter politischer Handlungsbedarf. Möchte man in den kommenden Jahren nicht signifikante Erzeugungskapazitäten verlieren, sind für die Betreiber von Anlagen, die ab dem 01.0 1.2021 ihre gesetzlich zugesicherte EEG-Vergütung verlieren, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, d ie e inen w irtschaftlichen Weiterbetrieb der Anlagen ermöglichen.VON: THOMAS PIKARSKIQUELLEN: 1Verordnung zu den gemeinsamen Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land und Solaranlagen2https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/Ausschreibungen/Ausschreibungen_node.html 3 https://www.eex.com/en/market-data/power/futures4 Drucksache 277/20 des Bundesrates vom 22.05.2020: Antrag des Landes Niedersachsen: „Entschließung des Bundesrates für einen zielorientierten Ausbau der Erneuerbaren Energien und einen adäquaten Rahmen für den Übergang in die Post-EEG-Phase